Dieses Handout verschafft einen Überblick über wichtige Verhaltenspflichten von Mitarbeitern und Mitgliedern der Führungsetage von Unternehmen im Zusammenhang mit Firmendurchsuchungen. Das Handout besteht aus zwei Teilen:
Der erste Teil ist eine Zusammenstellung häufig in der anwaltlichen Praxis gestellter Fragen in Bezug auf Firmendurchsuchungen. Die Zusammenstellung erfolgt im FAQ-Stil, damit der Anwender schnell die für ihn wesentlichen Fragen ausfindig machen kann. Am Anfang des FAQs findet sich eine Auflistung aller Fragen.
Der zweite Teil ist eine Checkliste, welche die wesentlichen Inhalte des FAQs gestrafft und komprimiert auflistet. Die Checkliste soll den Leser eigenen Handlungsbedarf erkennen und ausloten lassen. Sie sollte allerdings nicht als erschöpfend beziehungsweise allgemeinverbindlich angesehen werden.
Am Ende des Handouts ist weiterführende Literatur zu den angesprochenen Problemkreisen angegeben.
Criminal Compliance:
Modul II (Das Unternehmen in der Krise: Firmendurchsuchung)
1. Warum werden Unternehmen durchsucht?
Nach der Strafprozessordnung (StPO) können Unternehmen durchsucht werden, „wenn Tatsachen vorliegen, aus denen zu schließen ist, dass die gesuchte (…) Sache sich in den zu durchsuchenden Räumen befindet“, § 103 StPO. Diese geringen Anforderungen des Gesetzes sind bei einem Verdacht auf Vorliegen von wirtschaftskriminellen Handlungen (Betrug, Untreue, Insolvenzverschleppung, etc.) durch zum Beispiel eine Staatsanwaltschaft relativ leicht zu begründen. Es ist nicht erforderlich, dass die durchsuchende Behörde absolut davon überzeugt ist, dass tatsächlich eine Straftat in einem Unternehmen begangen worden ist. Die Hürden der StPO für eine das Unternehmen mitunter stark belastende Durchsuchungsmaßnahme sind niedrig. So kann auch die böswillige, aber anonyme, Anzeige durch ein Konkurrenzunternehmen schnell den Staatsanwalt mit Hilfsbeamten vor der Türe des Unternehmens im Morgengrauen erscheinen lassen. Das tatsächliche Problem für die ermittelnde Behörde besteht zumeist darin, dass diese ohne Durchsuchung kaum an belastbares und beweisgeeignetes Material rankommen kann, denn Unternehmen sind typischerweise in sich abgeschlossene Entitäten. Unternehmen werden häufig durchsucht, um erst sachgerecht prüfen zu können, ob eine Straftat vorliegt und nicht, warum genau dies der Fall ist.
2. Kann man eine begonnene Durchsuchung verhindern?
Nein. Auch wenn mancher Vorstandsvorsitzender es gern sehen würde, wenn der herbeigerufene und teuer bezahlte Anwalt die „Herren des Morgengrauens“, notfalls unter Assistenz des Wachhundes, verscheuchen würde – eine begonnene Durchsuchung kann nicht verhindert werden. Allerdings bestehen durchaus Möglichkeiten, die von ihr ausgehenden Belastungen in einem für das betroffene Unternehmen erträglichen Maß zu halten (dazu unten mehr, s. Nrn. 12, 15 und 19). Es kann nicht oft genug gesagt werden: Im Falle der Konfrontation mit einer Durchsuchung ist das oberste Gebot, Ruhe zu bewahren und die Ermittler nicht aktiv an ihrer Arbeit zu behindern. Denn letzteres kann Argwohn hervorrufen und als Maßnahme gedeutet werden, etwas „verheimlichen/verstecken zu wollen“. Man kann es nüchtern so resümieren: Außer Schusswaffengebrauch können Durchsuchungsbeamte sich sehr viel rechtlich zulässig erlauben.
3. Kann man eine Durchsuchung im Vorfeld vermeiden?
Dies ist unter Umständen möglich und hängt davon ab, ob zwischen den Verfahrensbeteiligten, also Unternehmen, Verteidigung und Staatsanwaltschaft, ein von Vertrauen geprägtes Verhältnis vorliegt. Wenn zum Beispiel die Staatsanwaltschaft um den Umstand weiß, dass das betroffene
Unternehmen eine funktionierende Compliance-Abteilung hat, können frühzeitig Gespräche geführt oder die Ergebnisse eigener Ermittlungen rechtzeitig übergeben werden, um eine das Ansehen des Unternehmens meist nachhaltig schädigende Durchsuchung zu verhindern. Ebenfalls ist es möglich, das Gespräch dahingehend zu suchen, welche Unterlagen der Staatsanwalt gern haben möchte. Dann können diese - und nur diese erstmal - überlassen werden, um eine Durchsuchung im Vorfeld zu verhindern. Hier gibt es kein Patentrezept, wie sich ein Unternehmen idealerweise und risikoneutral verhalten kann. In einem ersten Schritt sollte anwaltlicher Rat eingeholt werden.
Erst in einem zweiten Schritt kann dann überlegt werden, ob proaktiv mit der Staatsanwaltschaft „zusammengearbeitet“ werden kann oder sollte. Die Verhinderung einer Durchsuchung kann für das Unternehmen von vitalem Interesse sein, auch wenn der Preis gelegentlich darin bestehen kann, dass Mitarbeiter sich in der Folgezeit mit einem Ermittlungsverfahren konfrontiert sehen.
4. Wie sollte die Leitung des Unternehmens reagieren?
Ruhig und besonnen. Nochmals: Eine begonnene Durchsuchung kann ohnehin nicht verhindert werden. Für die Durchsuchungsbeamten sollte ein Ansprechpartner vorhanden sein und nicht ein Agglomerat von durcheinander redenden Personen. Dieser Ansprechpartner sollte idealerweise ein Mitarbeiter der höheren Hierarchie sein, ggfs. ein Mitglied des Vorstandes oder der Geschäftsführung. Es sollte unbedingt versucht werden, eine angenehme Gesprächsatmosphäre entstehen zu lassen, das Anbieten von Kaffee, etc. kann indirekt eine taktische Maßnahme darstellen, dem Firmenverteidiger zu ermöglichen, noch rechtzeitig zur andauernden Durchsuchung eintreffen zu können. Letzteres ist ohnehin ratsam: Es sollte höflich angefragt werden, ob mit dem Beginn der Durchsuchung bis zum Eintreffen des Anwaltes der Firma gewartet werden kann. Mancher mit Kaffee versorgter Durchsuchungsbeamter wird für derlei Ansinnen empfänglich sein. Die wichtigste Aufgabe für den Ansprechpartner aus dem Unternehmen besteht darin, sich einen Überblick zu verschaffen und sich vor allem den Durchsuchungsbeschluss aushändigen zu lassen. Darüber hinaus ist unbedingt zu beachten, dass die eigentlichen Beschuldigten, die im Durchsuchungsbeschluss namentlich erwähnt und anwesend sind, unter keinem Umständen Angaben in der Sache machen. Es sollte beachtet werden, dass auch die Führungsebene eines Unternehmens dann ein Aussageverweigerungsrecht hat, sofern das Unternehmen von einem sog. Verfall betroffen ist. Einfach zusammengefasst: Die einzig richtige Verhaltensweise besteht darin, so wenig wie möglich selbst zu sagen und stattdessen aktiv und aufmerksam zuzuhören.
5. Wie sollen sich die Mitarbeiter verhalten?
Im Wesentlichen kann auf die vorstehenden Ausführungen (vgl. Nr. 4) rekurriert werden. Auch die einzelnen Mitarbeiter sind gut beraten, sich unter allen Umständen mit eigenen Angaben vor Ort unbedingt zurückzuhalten. Es besteht keine Verpflichtung, ohne Not Angaben zur Sache zu machen (dazu gleich mehr). Die forensische Erfahrung des Strafverteidigers lehrt, dass meistens spontan geäußerte Angaben später den größten Schaden in einem Ermittlungsverfahren anrichten. Allerdings sind Mitarbeiter mit einer Durchsuchung in aller Regel überfordert und reagieren kopflos, planlos und meist situationsunangemessen. Aus diesem Grunde muss das Unternehmen rechtzeitig, zum Beispiel durch Schulungen o.ä., Vorkehrungen dafür treffen, dass jeder einzelne Mitarbeiter genau weiß, wie er sich zu verhalten hat, wenn plötzlich das Unternehmen durchsucht wird (vgl. Nr. 19). Auf manchen einer Durchsuchung beiwohnenden Staatsanwalt macht es einen nachhaltigen Eindruck, wenn bei Eintreffen der Durchsuchungsgruppe alle anwesenden Mitarbeiter sich geordnet wie geschlossen in einen Aufenthaltsraum oder die Kantine begeben. Das Unternehmen muss sich auf den Ernstfall vorbereiten, damit für den Fall der Fälle die Mitarbeiter sich nicht falsch verhalten und vermeidbaren Schaden anrichten.
6. Welche Rechte und Pflichten haben Mitarbeiter bei einer Durchsuchung?
Kein Mitarbeiter hat die Pflicht, einer Durchsuchung bis zum Ende zu folgen. Er kann auch einfach nach Hause gehen, was meist ein sinnvolles Manöver darstellen kann, um zu vermeiden, dass der Mitarbeiter unbedachte Äußerungen macht. Wichtig ist vor allem folgende taktische Maßnahme: Nach geltender Rechtslage hat jeder Zeuge, d.h. jeder Mitarbeiter des Unternehmens, das Recht, sich mit einem Rechtsanwalt beraten zu dürfen, § 68b StPO (sog. Zeugenbeistand). Sollte also ein Mitarbeiter von Durchsuchungsbeamten vor Ort bedrängt werden, „jetzt doch bitte Angaben zu machen“, ist von diesem Recht sofort Gebrauch zu machen. Mit anderen Worten: Der Zeuge (Mitarbeiter) kann und sollte mit Nachdruck fordern, sich zuerst mit einem Rechtsanwalt besprechen zu dürfen. Wenn der Anwalt des Vertrauens dann zum Beispiel zufällig keine Zeit hat, können Vernehmungsversuche der Durchsuchungsbeamten effektiv verhindert werden. Die Vernehmung des Zeugen wird erst Wochen später erfolgen können. Zeitgewinn bei Durchsuchungen kann ein wichtiger Faktor sein.
7. Wie läuft eine Durchsuchung „im Normalfall“ ab?
Wesentliche Erkenntnisse lassen sich den vorstehenden Ausführungen unter den Nrn. 1 - 6 entnehmen. Viele Durchsuchungen verlaufen weit weniger spektakulär, als gemeinhin angenommen. Nach Eintritt der Durchsuchungsgruppe verteilt sich diese häufig recht schnell, um eine Art
„Überraschungsmoment“ auszunutzen. Genau in einer solchen Situation neigen manche überrumpelte Mitarbeiter zu sog. Spontanäußerungen, die für die betroffene Person oder gar das Unternehmen irreparable Schäden anrichten können. Nochmals: Mitarbeiter müssen wissen, wie sie sich zu verhalten haben und wie gerade nicht, wenn eine Durchsuchung plötzlich ansteht. Der Ansprechpartner des Unternehmens bzw. der Firmenverteidiger müssen darauf achten, den Durchsuchungsbeschluss und eine genaue Liste mit allen sichergestellten Unterlagen und Dokumenten zu erhalten. Es gibt nicht wenige Fälle in der Praxis, dass Unternehmen nach durchgeführter Untersuchung die sichergestellten Unterlagen zurückerhalten und diese durcheinander gebracht wurden und nicht mehr ohne weiteres genutzt werden können. Es kann nicht oft genug wiederholt werden: Ruhe bewahren und Zuhören sind das oberste Gebot der Stunde und relativ leicht zu beachten.
8. Welche Rechte haben die durchsuchenden Personen?
Es wurde bereits ausgeführt, dass Durchsuchungsbeamte weitgehende Rechte haben, die sie oftmals in vollem Umfang nutzen. Sie können Mitarbeiter ungeniert befragen (auch wenn das unbedingt verhindert werden muss), wichtige PC-Anlagen und Ordner sicherstellen, beschlagnahmen und fortschaffen. Außer dem Einsatz von Schusswaffen ist alles vorstellbar und kommt in der Praxis je nach Einzelfall vor. Dem von einer Durchsuchung betroffenen Unternehmen verbleibt nur die Möglichkeit, die Rechtmäßigkeit der Durchsuchung später von einem Gericht prüfen zu lassen.
Über die Angemessenheit, Rechtmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit von Durchsuchungen können am Ort des Geschehens keine zielführenden oder aussichtsreichen Verhandlungen mit der Durchsuchungsgruppe geführt werden.
9. Was darf bei der Durchsuchung beschlagnahmt werden?
Hier ist vieles vorstellbar: Ordner, PCs, Telefone, etc. können vor Ort sichergestellt, beschlagnahmt und fortgeschafft werden, um diese mitunter monatelang auszuwerten. Die Folgeprobleme für ein Unternehmen liegen klar auf der Hand: Die Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes kann durch eine allzu emsig betriebene Durchsuchung gefährdet werden. Die Durchsuchungsbeamten entscheiden meist nach einer Art „Bauchgefühl“, was sie interessiert und was nicht. Ein Grund mehr, darauf zu achten, dass eine angenehme Gesprächsatmosphäre entsteht: Denn in eine von Argwohn und Misstrauen geprägten Umfeld wird manch Durchsuchungsbeamter „zur Sicherheit“ lieber zu viel als zu wenig beschlagnahmen. Denn stellt dieser nach Abschluss der Durchsuchung und Verlassen des Unternehmens fest, etwas vergessen zu haben, muss zunächst ein neuer Durchsuchungsbeschluss beantragt werden. Im Zweifelsfalle wird dann meist mehr mitgenommen, als später für die Auswertung tatsächlich erforderlich.
10. Gibt es Unterlagen, die nicht beschlagnahmt werden dürfen?
Es kommt drauf an: Grundsätzlich können Durchsuchungsbeamte alles mitnehmen, was sie mitnehmen wollen. Allerdings findet dieses Recht seine Grenzen darin, dass zum Beispiel Schriftverkehr zwischen einer Person und einem Rechtsanwalt oder einem Rechtsanwalt selbst mitunter nicht beschlagnahmt werden dürfen. Hier hängt vieles von den Umständen des Einzelfalles und den Regelungen der Strafprozessordnung ab. Ein Unternehmen ist sehr gut beraten, für eine strikte Trennung zwischen allgemeinen Unterlagen und „Mandatsunterlagen“ zu sorgen. Am besten durch Aufbewahrung der Unterlagen in verschiedenen Büros oder sonstigen Orten im Unternehmen. Flapsig formuliert kann mancher Unterlage auch eine Art „Kanzleiasyl“ gewährt werden, indem diese an eine Kanzlei ausgelagert wird. Das ist in vielen Fällen rechtlich möglich und zulässig, in manchen jedoch nicht. Der Einzelfall entscheidet hierüber. Man kann sich allerdings sicher sein, dass Durchsuchungsbeamter es nicht gern sehen, dass für sie wichtige Unterlagen sich nicht im Unternehmen, sondern bei einem Rechtsanwalt befinden.
11. Wie lassen sich betriebswichtige Dokumente und Unterlagen sichern?
Hier hängt wiederum vieles von der Verhandlungsatmosphäre ab: Manch Durchsuchungsbeamter verhält sich durchaus verständnisvoll für die wirtschaftlichen Nöte eines Unternehmens. Es bestehen verschiedene Optionen, das Tagesgeschäft auch nach durchgeführter Durchsuchung weiter ausüben zu können: Anstatt PC-Anlagen abzubauen und fortzuschleppen, können Kopien von wichtigen Daten erstellt oder Festplatten gespiegelt werden. Wichtige Unterlagen müssen nicht beschlagnahmt werden, wenn die Fertigung von ausreichenden Kopien durch freundliche und Kaffee darbietende Mitarbeiter/-innen durchgeführt wird.
Die Strafprozessordnung regelt leider nicht, wie genau hier die Durchsuchung durchgeführt werden sollte, um die wirtschaftlichen Interessen eines Unternehmens angemessen zu berücksichtigen. Der Ansprechpartner des Unternehmens und der Firmenverteidiger müssen hier sehr sensible Überzeugungsarbeit leisten.
12. Sollten betriebswichtige Dokumente und Unterlagen freiwillig herausgegeben wer-
den?
Hier hängt vieles von den Umständen des Einzelfalles ab. Einerseits kann durch eine bereitwillige Zurverfügungstellung der entscheidenden Dokumente und Unterlagen eine Durchsuchung schnell abgeschlossen werden. Sind die Unterlagen andererseits äußerst umfangreich oder gar unübersichtlich, kann Zurückhaltung durchaus das richtige Mittel der Wahl sein: Die Praxis lehrt, dass gelegentlich wichtige Dokumente aufgrund des Umfanges übersehen und später nach vermeintlich erschöpfender Auswertung durch Staatsanwaltschaft und Polizei als „nicht inkriminiert“ zurückgegeben werden und das Ermittlungsverfahren sogar eingestellt wird. Im Zweifelsfalle sollten diese Unterlagen nur in Kopie oder nach Fertigung von Kopien herausgegeben werden, um den Geschäftsbetrieb nicht unnötig zu beeinträchtigen.
13. Dürfen Unterlagen versteckt oder vernichtet werden?
Diese Frage sollte sich eigentlich erübrigen und von selbst beantworten lassen. Das Verstecken oder Verheimlichen von inkriminierten Unterlagen ist jederzeit möglich – aber illegal. Es kann als Versuch gewertet werden, gezielt die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft zu behindern. Das kann ein Anlass dafür sein, gegen die verantwortlichen Personen notfalls einen Untersuchungshaftbefehl zu erlassen. Also: Besser die Finger von solchen Maßnahmen lassen!
14. Was ist zu tun, wenn die Presse von der Durchsuchung erfährt?
Der Umgang mit der Presse kann schier unlösbare Probleme mit sich bringen. Als Faustformel gilt Folgendes: Es ist in den allermeisten Fällen taktisch sinnvoller, irgendetwas als Presseerklärung herauszugeben, als Stillschweigen zu bewahren. Denn dann wird erst recht der Ermittlungseifer von erlebnisorientierten Journalisten geweckt. Eine mit der Firmenverteidigung und Unternehmensleitung abgestimmte Presseerklärung kann nicht nur Ruhe bringen, sondern weiteren Rufschaden durch eindimensionale Berichterstattung vermeiden, wenn Journalisten ohne Presseerklärung lediglich Vermutungen anstellen, was denn „passiert sein müsste“. Was manche Pressevertreter gelegentlich übersehen, sind die Regelungen des Pressekodex, nach welchem in nicht einklagbaren Normen geregelt ist, wie sich Organe der Presse zu verhalten haben und wie sie ihre Arbeit leisten sollen. Oberstes Ziel sollte sein, nicht zu viel Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, so dass Schreiberlinge ihr Interesse an dem von der Durchsuchung betroffenen Unternehmen bereits beim nächsten Redaktionsschluss schon wieder vergessen haben.
15. Wie können Betriebsgeheimnisse trotz Durchsuchung geschützt werden?
Neben den unter Nr. 11 genannten taktischen Manövern gibt es eine Regelung der Strafprozessordnung (StPO), von der Firmenverteidiger gerne Gebrauch machen: Das Recht auf Versiegelung. Das bedeutet, dass wichtige Unterlagen versiegelt werden und erst später durch den Staatsanwalt eingesehen werden. Allerdings hat der Gesetzgeber die ursprünglich restriktive Vorschrift zwischenzeitlich gelockert, so dass nun auch Ermittlern der Staatsanwaltschaft vorab das Recht eingeräumt werden kann, Papiere an Ort und Stelle zu prüfen. Dennoch sollte das Unternehmen immer auf Versiegelung drängen, wenn sich zum Beispiel Betriebsgeheimnisse in den Unterlagen befinden. Denn werden diese erst einmal zur Akte genommen, können im Extremfall Konkurrenzunternehmen durch Akteneinsichtsgesuche oder in einem Zivilprozess durch Anträge auf Urkundenvorlegung diese Geheimnisse enthüllen und schweren Schaden verursachen. Zusammenfassend ist der Schutz von Betriebsgeheimnissen schwierig, indes aber möglich.
16. Kann ein Rechtsanwalt bei einer Durchsuchung hinzugezogen werden?
In jedem Falle sollte, sofern die tatsächliche Möglichkeit besteht, vor Beginn der Durchsuchung ein Versuch unternommen werden, sofort einen Rechtsanwalt zu verständigen. In einer angenehmen Atmosphäre wird die Bereitschaft der Durchsuchungsbeamten hierfür recht hoch sein. Auch wenn der Anwalt vor Ort die Durchsuchung keinesfalls stoppen kann (vgl. oben Nr. 1), so kann er doch dann und wann allzu emsigen Ermittlern Schranken aufweisen, indem zum Beispiel Vernehmungen zwischen Tür und Angel verhindert werden.
17. Kann der Rechtsanwalt mehrere Personen vertreten?
In einem Strafprozess kann der Verteidiger immer nur einen Mandanten vertreten, im Zivilprozess hingegen ist die Mehrfachvertretung von Parteien nicht nur möglich, sondern auch üblich. Das bedeutet allerdings in der Konsequenz, dass infolge einer Durchsuchung mit mehreren Beschuldigten jeder Beschuldigte einen eigenen Verteidiger benötigt. Es ist in diesem Kontext nicht ratsam, im Falle von zum Beispiel Interessenkollisionen zwischen Mitarbeitern („Whistleblowern“) und Unternehmensleitung dieselbe Sozietät mit der Vertretung mehrerer Betroffener zu mandatieren. Rechtlich ist das übrigens auch nicht unproblematisch für den Rechtsanwalt, es droht hier ein sog. Parteiverrat.
18. Sollte die „Hausanwaltskanzlei“ hierfür mandatiert werden?
In den allermeisten Fällen wird es taktisch nicht sinnvoll sein, die „Hausanwaltskanzlei“ mit der Firmenverteidigung und/oder der Verteidigung mehrerer Beschuldigter zu beauftragen. Aufgrund gefestigter und bestehender Vertrauensverhältnisse können die Spannungen, die sich aus einem Strafverfahren ergeben, dieses Verhältnis nachhaltig stören und beeinträchtigen. Die Anwälte der Hausanwaltskanzlei werden meist befangen agieren und keine objektive Arbeit leisten können.
19. Ist es sinnvoll, einen Krisenreaktionsplan/Alarmplan zu fertigen?
Aus den gesamten vorstehenden Ausführungen ergibt sich die wichtige Erkenntnis, dass Firmendurchsuchungen meist nur dann vermieden bzw. gemeistert werden können, wenn das betroffene Unternehmen rechtzeitig im Vorfeld einen Krisenreaktions plan/Alarmplan o.ä. sich erarbeitet hat. In jedem Falle ist die Fertigung eines solchen Planes empfehlenswert, um im Ernstfall schnell und effektiv auf die Be- drohungen reagieren zu können, die von einer Durchsuchung für das Unternehmen ausgehen. Hierdurch können vor allem die Mitarbeiter frühzeitig zum richtigen Verhalten bei einer Durchsuchung angeleitet werden. Es nützt dem Unternehmen rein gar nichts, wenn nur die Leitung desselben weiß, wie das richtige Verhalten bei einer Durchsuchung aussieht. Auch die Mitarbeiter des Unternehmens müssen frühzeitig durch Schulungen, Meetings etc. genau instruiert werden, was sie zu beachten und wie sie sich zu verhalten haben, wenn die „Herren des Morgengrauens“ dem Unternehmen einen Besuch abstatten.
20. Wie sollte ein solcher Plan beschaffen sein?
Es müssen klare Strukturen geschaffen werden, welchen Personen welche Aufgaben und Verantwortungsbereiche im Falle einer Durchsuchung oder anderer strafrechtlicher Maßnahmen zukommen. Dies insbesondere auch für „Vertretungsfälle“, wenn wegen Urlaubs oder Krankheit bestimmte Mitarbeiter im Falle einer Durchsuchung nicht als Ansprechpartner zur Verfügung stehen. In diesem Plan müssen insbesondere die Mitarbeiter in kurzen und einfachen Sätzen über die wesentlichen Verhaltenspflichten bei einer Durchsuchung informiert werden. Das Recht, Schweigen und in jedem Falle einen Anwalt des Vertrauens vor Abgabe irgendwelcher Angaben konsultieren zu dürfen, stellt in diesem Zusammenhang Grundlagenwissen dar, das unbedingt jedem Mitarbeiter bekannt sein sollte. Die weitere Beschaffung des Planes sollte von einer Risikoanalyse des Unternehmens abhängig gemacht werden. Je nach Branche und Größe des Unternehmens werden unterschiedliche Maßnahmen erforderlich sein. Eine effektive Compliance-Beratung im Vorfeld kann hier wertvolle Dienste leisten.
Checkliste
Literatur
Infoblätter:
Karl-Ulrich-Straße 3
67547 Worms
Tel. 0049 (0) 6241-938000